MVN Het Blauwe Schuit-handschrift

9 Zusammenfassung

Bei der Handschrift Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, 75 H 57 handelt es sich um eine einspaltige Papierhandschrift, die vermutlich in Holland angefertigt wurde und aufgrund von Wasserzeichenrecherchen um 1442 datiert werden muss.
Der Inhalt umfasst dreizehn gereimte Texte, die sich in Art und Inhalt sehr unterscheiden. Der bisherige Herausgeber der Textsammlung, Eelco Verwijs, wollte sie als Ganzes mit dem Titel Van vrouwen ende van minne charakterisieren, doch diese Bezeichnung deckt nur einen Teil der Ladung ab. In der Tat handeln einige Texte von höfischer Minne und höfischen Manieren, andere hingegen zeichnen sich durch komische Anekdoten oder scharfe Satire aus, wie zum Beispiel eine Verspottung von Bauern und eine Quasi-Zunftordnung für eine Gruppe von Unsozialen namens Blauwe Schuit (Das blauwe Boot). Wir finden auch Texte mit didaktischer Tendenz und eine Sammlung von Reimsprüchen.
Die Sprache unterscheidet sich von Text zu Text. Neben dem Holländischen kommt regelmäßig auch eine gewisse deutsche Färbung vor, je nach Text in unterschiedlichem Ausmaß.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese Textsammlung als lose Lagen in den Archiven des Egmond-Klosters vom ehemaligen Staatsarchivar Van Wijn gefunden, der sie anschließend auf eigene Kosten binden ließ. Die Blätter wurden in einer littera cursiva von zwei kooperierenden Kopisten geschrieben, A (f. 1r1-f. 27r1) und B (f. 27r2-f. 67v20). Die Handschrift besteht aus 6 Lagen, von denen die erste Lage, ursprünglich ein Quinternio, ihr erstes Blatt verloren hat. Von den anderen Lagen, alles Sexternionen, fehlt bei der letzten Lage das äußere Doppelblatt.
Zusätzlich zu diesen Mängeln weist das Manuskript zahlreiche Textfehler auf. Neben offensichtlichen Textfehlern fehlen ganze Abschnitte am Anfang oder Ende eines Textes. Bemerkenswert ist, dass Kopist A, der aller Wahrscheinlichkeit nach für die endgültige Redaktion verantwortlich war, an mehreren Stellen den Abbruch eines Textes durch das Niederschreiben die Schlussformeln ‘Amen dico vobis’, ‘Amen sit laus’ oder ähnlicher Worte signalisierte. Es ist auch merkwürdig, dass diese Stellen oft mit dem Ende eines Lages zusammenfallen.
Auf der Grundlage dieser und anderer kodikologischer und textueller Beobachtungen wird die Hypothese aufgestellt, dass die Kopisten darauf abzielten, eine geordnete Kopie eines bereits ungeordneten und verunstalteten Vorlage anzufertigen.

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